Starker unabhängiger Journalismus ist Schutzschild gegen Desinformation und Verschwörungsmythen
NRW-Zeitungsverlage und Digitalpublisher trafen sich am 30. August 2022 zu ihrer Jahrestagung in Köln auf Einladung der Kölner Stadt-Anzeiger Medien.
Ministerpräsident Wüst spricht vor rund 50 Verterinnen und Vertretern der Branche.
Verbandsvorsitzender Christian DuMont Schütte forderte Unterstützung für die Zeitungszustellung, die Absenkung der Mehrwertsteuer auf journalistische Angebote und weniger Textangebote vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Tiefenpsychologe Jens Lönneker: "Zeitungen bieten glaubwürdigen Haltepunkt im Alltag".
von links: Helmut Heinen (stv. DZV.NRW-Vorsitzender), Dirk Holterdorf (stv. DZV.NRW-Vorsitzender), Ministerpräsident Hendrik Wüst, Christian DuMont Schütte (DZV.NRW-Vorsitzender), Lambert Lensing-Wolff (stv. DZV.NRW-Vorsitzender). Fotos: Michael Bause (7), Wasserturm Hotel Cologne
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat auf der Jahrestagung des Digitalpublisher und Zeitungsverleger Verbandes NRW den hohen Stellenwert von unabhängigem Journalismus betont. Vor rund 50 Branchenvertreterinnen und -vertretern sagte Wüst: „Selten waren die Herausforderungen für Politik und Medien und der Bedarf der Menschen nach verlässlichen und kritischen Informationen so groß wie in Zeiten der Pandemie und des Angriffskriegs auf die Ukraine. Starker, unabhängiger Journalismus ist ein Schutzschild gegen Desinformation und Verschwörungsmythen und deshalb unverzichtbar. Die Landesregierung setzt sich weiter für die Sicherung der Medienvielfalt ein und bleibt verlässlicher Ansprechpartner.“
"Zustellung ist Hidden Hero der lokalen Medienvielfalt"
Der Vorsitzende des Verbandes, Christian DuMont Schütte, begrüßte die Ankündigung der schwarz-grünen Regierungskoalition, bestmögliche Rahmenbedingungen für lokale Medienvielfalt in NRW zu schaffen. Er rief die Landesregierung auf, sich für eine wirkungsvolle und ausreichende finanzielle Unterstützung der frühmorgendlichen Zeitungszustellung einzusetzen. „Dieses einmalige Versorgungsnetz gewährleistet, dass täglich Millionen Haushalte in NRW aktuelle lokale Informationen geliefert bekommen. Sie ist der ‚Hidden Hero‘ der lokalen Medienvielfalt“, so DuMont Schütte. Drastische Kostensteigerungen der vergangenen Jahre – und viele davon staatlich veranlasst – haben die Zeitungszustellung vielerorts unwirtschaftlich gemacht. Die aktuell massiv gestiegenen Energie- und Papierpreise tragen zur Verschärfung der Lage bei. Die flächendeckende lokale Informationsversorgung ist akut gefährdet.
Ministerpräsident Wüst kündigte an, dass sich NRW auf Bundesebene für ein möglichst tragfähiges und unbürokratisches Fördermodell für die Zeitungszustellung einsetzen werde.
Absenkung Mehrwertsteuer auf "Null" für journalistische Angebote
Ferner ging Christian DuMont Schütte auf die politische Debatte um die Finanzierung lokaler Medienvielfalt ein: „Als Verlage arbeiten wir hart daran, nutzerfinanzierte journalistische Abomodelle auch in der digitalen Welt zu etablieren und damit unabhängigem, privatfinanzierten Journalismus eine Zukunft zu geben. Wenn Politik möglichst staatsfern und niedrigschwellig lokale journalistische Vielfalt unterstützen möchte, dann wäre eine Absenkung der Mehrwertsteuer für journalistische Angebote „auf Null“ eine geeignete und richtige Lösung. Andere europäische Länder machen uns das vor, rechtlich wäre dieser wichtige Schritt problemlos auch in Deutschland möglich.“
DuMont Schütte kritisierte ausufernde Textangebote auf den Webangeboten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dort, wo ARD und ZDF kostenlose Textangebote verbreiten, sei kaum ein Markt für privatfinanzierte journalistische Produkte möglich. Er forderte die Sendeanstalten und auch deren Aufsichtsgremien auf, hier wirksam gegenzusteuern. Gelingt das nicht, müssten die Länder mit klareren Vorgaben handeln.
Mit Sorge sieht Christian DuMont Schütte die Ankündigung im NRW-Koalitionsvertrag, dass der WDR in Zukunft mehr in der Fläche präsent sein soll. Das kann als Freibrief für eine lokalere Ausrichtung der WDR-Telemedien verstanden werden, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk europarechtlich untersagt ist – und die Verlage in ihrem intensiven Bemühen um die Entwicklung digitaler, privatwirtschaftlich finanzierter lokaler journalistischer Angebote schädigen würde.
"Zeitungen bieten glaubwürdigen Haltepunkt im Alltag"
Jens Lönneker vom Kölner Forschungsinstitut rheingold salon beschrieb in seinem Gastvortrag die Auswirkungen von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Klimawandel auf Gesellschaft und Medien: „Zurzeit ballen sich die Krisen. Viele Menschen wissen nicht mehr genau, was verlässlich ist und worauf sie bauen können. Die Wirklichkeit kommt ihnen ‚ins Rutschen‘. Hier bieten ihnen vor allem die Zeitungen eine attraktive tagtägliche Einordnung und damit für alle einen wichtigen und glaubwürdigen Haltepunkt im Alltag. Krisen sind immer auch Chancen“, sagte Lönneker gerichtet an die Branchenvertreterinnen und -vertreter.
Christian DuMont Schütte betonte: „Für uns als unabhängige Presse ist es in diesen außergewöhnlichen Zeiten ganz besonders Aufgabe und Herausforderung, uns vom hektischen Informationstreiben der sozialen Netzwerke abzusetzen.“ Die Angebote der Tageszeitungen stehen für sorgfältig recherchierte Informationen, fundierte Analysen, geben Orientierung auch bei komplexen Sachverhalten. Zeitung sei mehr als ein Nachrichtenmedium. „Die Tageszeitung war, ist und wird in Zukunft ein Lebensbegleiter sein, die auch Lösungen für Problemfragen der Menschen aufzeigt“, so DuMont Schütte weiter.
12,8 Mio. Menschen lesen regelmäßig in NRW Angebote der Zeitungen – gedruckt, online oder mobil (best-for planning-Studie 2021/III). Im Vergleich zum Vorjahr sind zudem die Verkaufszahlen bei ePaper – sowie bei Paid Content-Abos der Zeitungen in NRW weiter gewachsen: ePaper Abos um 5 Prozent (IVW II/2022) sowie Paid-Content-Abos um 30 Prozent (verbandsinterne Abfrage unter 14 Unternehmen, Stand Juni 2022).